Seiten

Freitag, 14. November 2008

2. Prozesstag (22.September 2008)

BB: 7 Antifaschisten zu hohen Strafen verurteilt!

Der Prozesstag begann wie bereits am ersten Tag mit Schikanen. Alle ProzessbesucherInnen wurden durchsucht und mussten ihre Schreibutensilien abgeben. Erst auf Nachfragen der Rechtsanwälte wurden diese wieder herausgegeben. Schon hier kann Richter Kirbacher seinen Unmut über diesen Prozess nicht zurückhalten. "Jetzt ist Ruhe da hinten im Saal" ruft er wütend.

Polizisten machen ihre Aussagen

Der erste von 5 geladenen Polizeibeamten wird in den Saal gebeten. Den Anfang macht der pensionierte Kriminalhauptkommissar Ott dessen Aufgabe es am 16. Februar war rund um das NPD Konzert in Sindelfingen "die Parkplätze ab zu fahren um zu beobachten, wohin die Leute gehen". In der besagten Nacht habe er gemeinsam mit seinem Kollegen Ziegler beobachtet, wie "fünf Leute die faschingsmäßig gekleidet waren" das NPD Fest verließen. Bereits hier fallen Unstimmigkeiten zu den Aussagen weiterer Zeugen auf.

Als die Zivilpolizisten erneut die Straße vor dem Sindelfinger Floschenstadion abfuhren, entdeckten sie dort eine Schlägerei. Während die Angreifer die Flucht ergriffen, verließen die Polizeibeamten ihr Fahrzeug und unterhielten sich mit den Leuten am Boden kurz und sagten ihnen sie sollen warten bis die Polizei kommt. Anschließend seien sie wieder eingestiegen und "mit dem Fahrzeug in in die Fluchtrichtung der Personen gefahren." Nach ungefähr hundert Metern hielten sie an einer Y-förmigen Kreuzung. In einer der kreuzenden Straßen starteten zwei Fahrzeuge, die hinter dem zivilen Fahrzeug vorbeifuhren. Das zivile Fahrzeug folgte den Fahrzeugen ohne sich als Fahrzeug der Polizei zu erkennen zu geben. Nach einer Filmreifen Verfolgungsjagd werden die sieben Angeklagten verhaftet.

Ein Prozesstag nimmt seinen Lauf

Für den weiteren Prozesstag sind noch weitere Polizeibeamte geladen. Von einigen wissen die Verteidiger nicht, dass sie geladen wurden. Besondere neue Erkenntnisse oder Beweise werden nicht festgestellt.
Der Neonazi Thomas P. sorgt für neue Stimmung im Zuschauerraum. Der 26 jährige, in Erfurt wohnhafte Bäcker, beginnt seine Ausführungen mit der Feststellung: "Zunächst mal war´s ´ne Faschingsveranstaltung vom Regionalverband aus". Danach folgen haarsträubende Erzählungen die neue Widersprüche aufwerfen und alte bestärken. Selbst seine Kernaussage: "Ein abgesägter Billiardkö wurde mir ins Gesicht gehauen, danach bin ich zu Boden gegangen" ist auf Nachfrage hin nicht haltbar.

DNA Auswertung schafft keine Beweise

Auch der Sachverständige Molkularbiologe Dr. Schaaf kann mit der Auswertung des DNA-Materials keine Beweise anbringen. Drei Ergebnisse und zwei Mischprofile wurden auf den zehn Aservaten festgestellt. Da sieben der "Aservate" aus den Fahrzeugen der Angeklagten stammen, verwundert das nicht sonderlich. Verwunderlich hingegen ist, dass auf keinem der Aservate Blut festgestellt werden konnte.

Anträge der Verteidigung werden abgeblockt

Bereits am Vormittag stellten die Prozessbeteilligten mangelnde Informationen bezüglich der aufgefundenen Aservate fest. Der zuständige Sachbearbeiter, Kriminalhauptkommissar Ziegler, wird für den Nachmittag erneut geladen und bringt hierfür die polizeiliche Ermittlungsakte mit. In der weiteren Fragestellung zieht Ziegler aus dieser "E-Akte" mehrere Fotos aus der "Erkennungsdienstlichen Behandlung" der Beschuldigten hervor, die im Widerspruch zu der von allen Zeugen getätigten Täterbeschreibung stehen. Der Antrag der Verteidigung diese Akten zugänglich zu machen, da "weiteres entlastendes Material" in diesen Akten auffindbar sein könne, wird im Rahmen der Verhandlung abgelehnt.
Ein weiterer Antrag der Verteidigung auf Zeugenanhörung eines Vernehmungsbeamten wird im gleichen Atemzug abgelehnt. Der Polizist sollte bezeugen, dass der Neonazi Preß in seinen früheren Vernehmungen nie von Schlagstöcken berichtet habe. Da kein anderer Zeuge von einem Einsatz von "Schlagstöcken" berichtete, wäre der Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung damit hinfällig gewesen.

Staatsanwältin sieht klare Beweiskette

Die Staatsanwaltschaft sieht in ihrem Plädoyer "den Tatvorwurf der gefährlichen Körperverletzung als erwiesen an". Dementsprechend hoch fällt ihr Strafmaß aus. Für drei der Angeklagten fordert sie ein Jahr und sechs Monate Haft. Erwiesene Tatsachen wie zum Beispiel, dass keiner der Angeklagten zum Zeitpunkt der Festnahme "dunkle" Kleider trug, wie durchweg alle Zeugen behaupteten, scheinen kein Gewicht zu haben.

Anwälte fordern Freispruch

In Ihren Plädoyers wiesen die Verteidiger mehrfach auf eine fehlende Beweiskette hin. Vor allem die Tatsache, dass keinem der Beschuldigten eine direkte Tatbeteiligung nachgewiesen werden kann ist zentraler Bestandteil der Argumentation. Ebenfalls mehrfach geäußert wird der Verdacht, dass ein "vorgefertigtes Urteil" vorläge. In Richtung der Staatsanwaltschaft werden Vorwürfe laut, dass sie sich, im Sinne ihrer Aufgabe, nur die Aussagen herauspicke, die ihrem Beschuldigungskonzept entsprächen. Das Gericht nimmt die Widersprüche und Unstimmigkeiten die von den Verteidigern aufgezeigt werden nett lächelnd zur Kenntnis.

Bei der Urteilsverkündung bricht Tumult aus

Bereits beim Erheben zur Urteilsverkündung wenden sich etliche Prozessbesucher vom Gericht ab. Drei der Angeklagten sollen eine Freiheitsstafe von einem Jahr und vier Monaten verbüßen. Die weiteren fünf erhalten neun und zehn Monate auf Bewährung Während der Urteilsbegründung kommt es zu etlichen Zwischenrufen. Als der Richter die Personalien einer Frau feststellen will, die gerufen hat, dass das Urteil bereits vorgefertigt war, solidarisieren sich mehrere Prozessteilnehmer und geben ebenfalls ihre Personalien ab. Daraufhin möchte der Richter den Saal räumen lassen. Nachdem die Zuschauer klarstellen, dass sie nicht die Absicht besitzen den Saal zu verlassen, fährt er in seiner Begründung fort. "Es gibt keine Beweismittel, es gibt nur Indizien..." Unterbrochen werden seine Ausführungen von mehreren Personen, die sich mit einem lauten Zuschlagen der Saaltür verabschieden. Daraufhin wird ein Ordnungsgeld von 300 Euro gegen eine Prozessbesucherin verhängt. Vor dem Gerichtssaal bricht nun ebenfalls Tumult aus. Weitere Prozessbesucher möchten den Saal verlassen, werden allerdings von der Polizei daran gehindert. Einer der Angeklagten möchte nun ebenfalls den Gerichtssaal verlassen, der Richter weist ihn daraufhin lautstark zurecht.

Der Versuch eines Fazits

Bereits während der Urteilsverkündung bezeichneten mehrere Prozessbesucher das Urteil als einen Skandal. Obwohl weder die Grundlage der Vollständigkeit der Beweise erfüllt war, mehrere Anträge der Anwälte abgelehnt wurden und es keine direkten Beweise für die Tatbeteiligung der Angeklagten gab verurteilte der Richter drei der Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten, die auf Grund ihrer Vorstrafen nicht zur Bewährung ausgesetzt wurden. Falls das Urteil des Richters Bestand haben sollte, belaufen sich die Haftstrafen auf einem Jahr und 9 Monate bis 2 Jahre und 4 Monate. Auch die anderen Angeklagten wurden zu mehrmonatigen Haftstrafen auf Bewährung verurteilt. Einer der Angeklagten wurde zu 10 Monaten, die anderen drei zu 9 Monaten auf drei Jahre Bewährung verurteilt.

Wir halten dieses Urteil für einen Skandal. Es verdeutlicht den politischen Charakter des Prozesses.


Für uns bleibt Antifaschismus, auf allen Ebenen, mit allen Mitteln, legitim!

1. Prozesstag (08.September 2008)

Prozess gegen Antifas in BB ist eine Farce

Am heutigen Montag, den 08. September fand am Amtsgericht Böblingen der erste Prozeßtag gegen 7 Antifaschisten statt. Ihnen wird vorgeworfen im Anschluss an ein NPD Konzert im Februar letzten Jahres mehrere Nazis angegriffen zu haben. Geladen waren vier Nazis, die als Geschädigte ihre Aussagen machen sollten. In der Mittagspause fand mit 30 Teilnehmern eine unangemeldete antifaschistische Kundgebung vor dem Amtsgerichtsgebäude statt, bei der nochmals auf die Brisanz des Falles hingewiesen wurde.
Schikanen gegen Prozessbesucher

Die knapp 30 Prozessbeobachter waren mit verschiedenen Schikanen konfrontiert: Die Ausweise jedes Besuchers wurden bei dem Betreten des Prozesses kopiert, alle Besucher mussten sich einer teilweise peinlich genauen Leibesvisitation unterziehen. Der Saal war für die Anzahl der Besucher zu klein und erst auf Nachfragen von Anwälten wurden mehr Besucher in den Saal gelassen.

Nach der Aufnahme der Personalien und der Verlesung der Anklageschrift durch die Staatsanwältin verneinten die Beschuldigten die Frage ob sie Aussagen zur Sache machen wollen. Daraufhin wurde die Verhandlung nach 15 Minuten bis 13.30 Uhr unterbrochen.

Antifaschistische Kundgebung in der Mittagspause

Gegen 12.30 Uhr fand vor dem Gerichtsgebäude eine Kundgebung statt, bei der nochmals darauf hingewiesen wurde wie die Anklage zu Stande kam und die Notwendigkeit von Antifaschismus erneut herausgestellt. In einem Redebeitrag wurde desweiteren die Einstellung aller Verfahren gefordert.
Die anwesende Polizei wusste sich nicht zu helfen und nahm später die Personalien eines Anwesenden auf, um ihn zum Versammlungsleiter zu stilisieren.

Die "Opfer" werden in den Raum gebeten

Um 13:35 wird die Verhandlung fortgesetzt. Die Neonazis Florian Leittner und Thorsten Langer werden hereingebeten. Als sie den Saal betreten werden im Zuschauerraum Blätter hochgehoben die gemeinsam den Schriftzug "NAZIS RAUS" ergeben. Der Richter fordert die Polizei auf die Zettel einzusammeln. Den beteiligten Verhandlungsteilnehmern wird im Falle einer Wiederholung ein "Ordnungsgeld über 300 Euro, ersatzweise drei Tage Haft" angedroht.
Nachdem alle Blätter eingesammelt sind werden die Zeugen Leittner und Langer auf ihre Rechte und Pflichten hingewiesen.

Leittner und Langer errinern sich kaum

Der aus Ludwigsburg stammende Florian Leittner (28) ist sichtlich nervös. Sie "waren relativ die letzten" die das Konzert verließen und er hatte "vier bis fünf Bier getrunken und einen Schnaps". Als Sie in ihr etwas entfernt parkendes Fahrzeug einsteigen wollten "kamen auf einmal Leute aus dem Dunkeln und der erste hatte ´nen Stock". Ab da werden die Aussagen von Leittner recht wirr. Unter dem Stock soll er durchgetaucht sein aber ein zweiter Angreiffer soll ihn erwischt haben. Ausserdem soll er im Augenwinkel noch verschiedene Angriffe auf seine "Kameraden" beobachtet haben, räumt aber schliesslich ein, dass ihm das nur bedingt möglich war.
Die verwirrten Aussagen von Leittner führen im Publikum immer wieder für Geräusche der Ungläubigkeit. Verständnisvoll erklärt der Richter daraufhin, dass Zeugenaussagen vor Gericht schwierig seien "insbesondere wenn sich eine Menschengruppe wie sie im Hintergrund aufhält".
Der aus Marbach stammende Thorsten Langer (35) stellt im ersten Satz seiner Ausführungen gleich fest: "Ich kann nicht viel erzählen". Ihm selber sei nichts groß passiert nur "irgendwo hier rechts hab´ ich ne Schramme abbekommen" (zeigt dabei auf sein linkes Ohr). Nach einigen weiteren Erzählungen verlässt Langer unter "Nazis Raus" rufen den Raum.
Daraufhin werden die Personalien von drei Prozessbesuchern aufgenommen.

Marcel "Flinky" Hecht

Der 25 Jährige Trainee für Projektmanagement Marcel Hecht aus Ludwigsburg betritt zünftig gescheitelt den Gerichtssaal. Im Gegensatz zu seinen "Kameraden" habe er die Situation recht gut überblickt, da er gleich im Moment des Angriffs geflohen sei. Einer der Angreifer habe ihn zwar verfolgt er sei aber davongekommen als sich ein ziviles Polizeifahrzeug zwischen ihn und den Angreifer gestellt habe.
"Aus ca. 200 Metern Entfernung" habe er dann die Situation beobachtet. Dabei soll er beobachtet haben, wie die 6-9 Angreiffer in eine vorfahrende Stufenhecklimusine gesprungen seien.
Schon in diesen kleinen Details tauchen erstaunlich viele Widersprüche zu seinen früheren Aussagen auf. Damals war es ein Fahrzeug heute waren es zwei, Damals war sein Verfolger mit einem Schaal vermummt heute mit einer Sturmhaube usw.
Zu seiner Rolle im Regionalverband der NPD kann er auch nichts weiter sagen, als das er zwar Mitglied sei aber entgegen einer öffentlichen Stellungsnahme der NPD nie für die Betreuung der Homepage zuständig gewesen sei. Ausser einer einmaligen Presseerklärung habe er keine Funktionen in der NPD wahrgenommen.

Und noch mehr Widersprüche

Die Aussagen der Zeugen widersprachen sich heute in nahezu allen Punkten. Wie die Täter gekleidet waren, wohin und wie sie geflohen sind oder wie viele Täter es überhaupt waren, in derartig entscheidenden Punkten konnte keine einheitliche Aussage festgestellt werden. Fakt bleibt, dass alle "Opfer" getrunken hatten und mit kleineren Blessuren davon kamen.

Nazizeugen Bresst und Danneberg blieben dem Prozess fern

Martin Danneberg blieb dem Prozess von vornherein fern. Mit besonderer Spannung wurde sein Auftritt erwartet, da er für diesen Prozess den Bundesvorsitzenden der Republikaner Dr. Schlierer als Anwalt engagiert hatte.
Der Neonazi Bresst lies sich entschuldigen, da er sich momentan aus beruflichen Gründen in Südafrika aufhällt.

Mehrere Organisationen und Vereine fordern die Einstellung des Verfahrens

Für die Organisationen und Vereine die sich bisher zu dem Prozess verhalten haben dürfte der heutige Verhandlungstag eine Bestätigung ihrer Forderung sein. Bereits im Vorfeld hatte u.a. die Rote Hilfe e.V., die Antifaschistische Aktion (Aufbau) und das Antifaschistische Aktionsbündnis Stuttgart & Region die Solidarität mit den Angeklagten erklärt und die Einstellung aller Verfahren gefordert.

Donnerstag, 6. November 2008

Ein Gespräch mit den Betroffenen zum Skandalurteil von Böblingen

StattZeitung: Seht Ihr das hohe Strafmaß und die Verhandlungsführung des Gerichts eher als einen Sonderfall des "schwäbischen" Landrechts an (wie bei den zerschlagenen Hakenkreuzen) - oder eher als Ausdruck einer bundesweiten Verschärfung von Polizeiverfolgung und Rechtsprechung?

A: Also sicher hat das Strafmaß auch was mit der Tatsache zu tun, dass Baden-Württemberg eben CDU-Land ist - und schon immer war. Das färbt natürlich auch auf die Justiz ab, die dann halt auch mit allem Ernst versucht zerschlagene Hakenkreuze zu kriminalisieren. Auch bei unserem Fall geht also wohl ein Teil des Strafmaßes auf das "schwäbische Landrecht" zurück.

Andererseits ist gerade bundesweit die Tendenz zu beobachten, vor allem bei Linken immer härter zu strafen: In Fürth (Bayern) wurden gerade ein paar Jugendliche verurteilt, weil sie mit Kreide (!) antifaschistische Parolen auf die Straße gemalt hatten - u.a. wurde einem Aktivisten verboten an antifaschistischen Demonstrationen teilzunehmen! In Berlin saß ein Antifaschist fast ein halbes Jahr in U-Haft, nur weil zwei stadtbekannte Nazischläger ihm vorwarfen ihn attackiert zu haben. Zwei weitere AntifaschistInnen wurden dort zu mehrjährigen Knaststrafen verurteilt; einer weil er angeblich eine Flasche in Richtung eines Nazi-Aufmarsches geworfen haben soll, was übrigens trotz mehrerer anonym auftretender LKA-Zeugen nicht bewiesen werden konnte.

Was bei diesen und unserem Verfahren, die sich in letzter Zeit leider bundesweit häufen, auffällt, ist dass es von der ermittelnden Polizei, über die Staatsanwaltschaft bis hin zum Gericht einen unbedingten Willen zur Verurteilung gibt. Bei uns hat sich das konkret z.B. so geäußert, dass der Richter - als rauskam dass entlastende Beweise unterschlagen worden waren - sagte diese hätten ihn sowieso nicht interessiert.

StattZeitung: Welche Methoden der bewussten Entpolitisierung verwendeten Richter und Staatsanwältin?

A: Von einer bewussten Entpolitisierung kann eigentlich nur während der Verhandlung gesprochen werden: Ständig redete der Richter und die Staatsanwältin von einer "Faschingsveranstaltung" - und nicht von einem Nazikonzert. Auch Fragen nach der Verkleidung der NPD-Zeugen, taten überhaupt nichts zur Sache, sondern sollten nur den "harmlosen Charakter" der NPD-Feier bestätigen. Da der politische Charakter aber natürlich völlig offensichtlich war, verbot sich Richter Kirbach einfach alle Äußerungen in diese Richtung und stellte fest es gehe "hier nicht um Politik". Um es noch mal allen deutlich zu machen, dass es sich nicht um einen politischen Prozess handelte, wurden zudem alle Prozessbeobachter penibel nach Transparenten, Schildern und ähnlichem durchsucht - bei jedem Betreten des Gerichtsaals von neuem.

Diese "unpolitische" Haltung änderte sich dann plötzlich bei dem Plädoyer der Staatsanwältin und bei der Urteilsbegründung: Die Tatsache dass wir Antifaschisten sind und zum Teil auch schon wegen antifaschistischer Aktionen verurteilt wurden, wurde als verschärfend gewertet. So wurden z.B. Strafbefehle wegen Verwendens von durchgestrichenen Hakenkreuzen als Beleg dafür gewertet, dass wir aus "politischem Fanatismus" gehandelt hätten.

StattZeitung:. Worin seht Ihr die besondere Gefährlichkeit "musikalischer Events" wie das Rennicke-Konzert im Vergleich zu rechten Traktaten oder Zeitschriften?

A: Wenn Nazis Flugblätter verteilen oder ihre Zeitungen unter die Leute bringen, dann ist das schon bekämpfenswert genug. Gerade für Jugendliche ist diese eher trockene Form der rechten Propaganda aber häufig wenig attraktiv.

Über Musik lässt sich gerade bei dieser Zielgruppe häufig viel leichter rassistische Ideologie vermitteln. So ist rechte Musik und der oft damit verbundene rechte Lifestyle, meist der erste Kontakt Jugendlicher mit faschistischem Gedankengut. Und das übrigens in erschreckendem Ausmaß; Rechts-Rock ist teilweise so erfolgreich, das damit jedes Jahr viele Millionen Euro umgesetzt werden, alle drei Tage kommt allein in der BRD ein neues Rechts-Rock Album auf den Markt!

Daher spielt das ganze rechte Musikgeschäft natürlich auch eine wichtige Rolle in der Finanzierung faschistischer Organisationen.

StattZeitung: Laut dem Bericht von Brigitte Renkl (1) ist Euch auch Mitgliedschaft bei

und/ oder Unterstützung durch die "Rote Hilfe" vorgeworfen worden. Könntet Ihr bitte noch mal für Pofalla und die seinigen in Hessen erklären, was die "Rote Hilfe" ist- und was sie nicht ist?

A: Naja, "vorgeworfen" wurde uns die Mitgliedschaft in der "Roten Hilfe" nur in der "Stuttgarter Zeitung", und die ist für ihre unsachlichen Darstellungen und subtil negative Berichterstattung über Linke bekannt.

Weil auf einer spontanen Kundgebung vor dem Gericht u.a. ein Transparent der Roten Hilfe gezeigt wurde, machte uns der anwesende Redakteur eben schnell zu den "sieben Angeklagten Rote Hilfe Mitgliedern".

Die Rote Hilfe ist eine strömungsübergreifende linke Solidaritätsorganisation, die sich um alle die aufgrund ihrer fortschrittlichen Aktivitäten staatlicher Repression ausgesetzt sind kümmert. D.h. die Rote Hilfe gibt Rechtshilfe-Tipps, besorgt und bezahlt Anwälte und schafft Öffentlichkeit. So versucht sie der Vereinzelung entgegenzuwirken und damit der Repression mit unserer größten Stärke zu antworten - unserer Solidarität!

Deshalb finde ich es übrigens auch so wichtig, dass alle die irgendwie politisch links sind, Mitglied in der Roten Hilfe werden!

StattZeitung: Wie seht Ihre Eure Chancen auf dem weiteren Rechtsweg?

A: Wir haben alle Rechtsmittel eingelegt. D.h., das Verfahren wird in der nächsten Instanz vor dem Landgericht in Stuttgart weitergehen. Von diesem Gericht haben wir leider nicht allzu viel zu erwarten. Dazu nur so viel: Es war das Stuttgarter Landgericht das unbedingt versuchte das Tragen von durchgestrichenen und zerschlagenen Hakenkreuzen unter Strafe zu stellen, selbst als die Sache schon bundesweit für Empörung gesorgt hatte, wurden deswegen noch hohe Geldstrafen verhängt. Vor ein paar Jahren wurde vor dem selben Gericht ein Stuttgarter Antifaschist wegen dem Verteilen eines Flugblatts das aufrief einen Naziaufmarsch zu verhindern, der von der ehemaligen "SS-Leibstandarte Adolf Hitler" unterstützt wurde, zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.

Nicht zuletzt ist es die Stuttgarter Staatsanwaltschaft, die sich seit Jahren weigert, die NS-Mörder die im italienischen St. Anna di Stazzema über 500 Menschen abgeschlachtet haben, juristisch zu verfolgen.

Trotz diesen Voraussetzungen hoffen wir aber, unseren Fall noch bekannter machen zu können und dadurch das Gericht zu zwingen auf die vielen Widersprüche in die sich die Zeugen verwickelten und die mehr als nur lückenhafte Indizienkette einzugehen.

StattZeitung: Welches Potential schreibt Ihr derzeit NPD bzw. braunen Kameradschaften zu?

A: Leider ein viel zu großes. Im Grunde genommen befindet sich die rechte Szene seit beinahe 20 Jahren in einem recht stabilen Aufwind. Vor allem seit dem gescheiterten NPD-Verbotsverfahren 2003 schafft es die NPD zunehmend die verschiedensten rechten Strömungen zu vereinen. Die Wahlerfolge die daraus resultierten führten dann zu einer weiteren gefährlichen Dynamik: Mehr Medienpräsenz, Gründung vieler neuer Ortsgruppen und trotz vieler peinlicher Pannen, im Großen und Ganzen eine ständige Professionalisierung der Partei. Auch außerhalb der NPD, z.B. bei den sog. "freien Kameradschaften", ist dieser Schwung spürbar. So gibt es mittlerweile wohl kein Gebiet gesellschaftlichen Lebens in dem die Nazis nicht aktiv wären und ihre Strukturen ausbauen würden. Da gibt es die "nationale" Kinderbetreuung z.B. im HDJ-Ferienlager, rechte Frauenorganisationen, mittlerweile schon mehrere rechts dominierte Subkulturen, Kleidermarken und Versände mit denen Millionen verdient werden, die oben erwähnte sehr professionelle rechte Musikszene, faschistische Zeitungen die bundesweit an jedem zweiten Kiosk erhältlich sind - und nicht zu vergessen jede Menge Leute, die sich von der Hetze der Nazis angesprochen fühlen, bzw. diese aktiv unterstützen. Allein in Baden-Württemberg haben bei der letzten Landtagswahl etwas über 90 000 Menschen NPD gewählt, weitere 50 000 die Republikaner. Dieser Zuspruch hat sicher auch etwas damit zu tun, dass immer mehr Menschen - vom sozialen Abstieg bedroht - denken die einfachen Antworten der Faschisten, seien die Lösung für komplexe gesellschaftliche Probleme. Das hat leider auch etwas mit der relativen Schwäche einer antikapitalistischen Linken zu tun, das auszuführen wäre jetzt aber ein ganz anderes Thema.

Das waren jetzt nur ein paar Stichpunkte zur aktuellen Entwicklung, ich denke aber man kann, ohne den Teufel an die Wand zu malen, sagen, dass die Nazis dabei sind den Schritt weg von der Szene hin zu einer faschistischen Bewegung zu machen. Zumindest die Entwicklung in einigen Gegenden in Ostdeutschland (aber nicht nur!) bestätigt diese These.

Leider machen sich immer noch viel zu wenig Menschen bewusst, welche Dimensionen das Nazi-Problem schon angenommen hat. So finden sich selbst in der Linken immer wieder Positionen die die faschistische Gefahr verharmlosen, anstatt endlich angemessen aktiv zu werden.

StattZeitung: Gremliza hatte in einer der letzten Nummern von "Konkret" angenommen, es komme der Staatsgewalt vor allem darauf an, ein abschreckendes Beispiel von "extrem" überhaupt zur Vorführung parat zu halten- zur gefälligen Anwendung auf "linksextrem". Wie seht Ihr das?

A: Gremlizas These besagt ja, dass NPD und andere offen faschistisch auftretende Organisationen deshalb nicht verboten werden, weil die Ablehnung die sie hervorrufen, im Zuge der staatsdoktrinären Extremismus-These, die nicht links und rechts, sondern nur "extremistisch" kennt, genauso gegen die Linke gewandt werden kann.

Da ist viel Wahres dran, genau diese aktuell dominante Argumentation die Gremliza da beschreibt, wird immer ins Feld geführt wenn grundsätzliche Kritik am System geübt wird. Nach dem Motto: Es ist bekannt wo die Systemkritik der Nazis hinführt, also muss jeder andere Versuch eine antikapitalistische Perspektive aufzubauen, auch verbrecherisch sein. Dass diese Logik nur im Sinne derer sein kann die den Status Quo, der geprägt ist von Sozialabbau, Arbeitslosigkeit, Krieg und vielen weiteren Ungerechtigkeiten, aufrecht erhalten wollen ist ja klar.

Ein weiterer interessanter Aspekt den Gremliza in der Konkret anspricht, ist dass falls NPD und andere Nazis verboten würden, am rechtesten Rand des politischen Spektrums diejenigen stehen würden, die aktuell an der Macht sind: Schäuble, Beckstein und Co. So können z.B. Menschen in Krisengebiete abgeschoben werden und man selbst steht als Innenminister nicht ganz so inhuman und rassistisch da, denn es gibt ja immer noch die Nazis die nochmal ganz anders mit Flüchtlingen umgehen...

Eine Schwäche hat die Argumentation Gremlizas aber doch: Er behauptet nämlich, die Nazis hätten keine systemerhaltende Funktion mehr für das Kapital - und würden so eine Rolle auch nie mehr einnehmen. Das stimmt so nicht ganz, richtig ist zwar dass die deutsche Bourgeoisie momentan sicher kein Interesse an einer allzu starken faschistischen Bewegung hat und schon gar keins an einer faschistischen Diktatur in Deutschland. Das hängt aber vor allem damit zusammen, dass momentan jeder Angriff auf die Lebensbedingungen der Lohnabhängigen, sei es Hartz IV, Heraufsetzung des Rentenalters, sinkende Reallöhne, genauso wie immer brutalere Kriege, ohne größeren Widerstand durchgeführt werden können. Eine starke antikapitalistische Linke würde das Verhältnis des Kapitals zu den Faschisten und ihrem Gesellschaftsentwurf aber vermutlich ganz schnell ändern.

Dass die Herrschenden wohl fest mit dem momentan noch nicht vorhandenen Widerstand gegen ihre Politik rechnen, zeigt übrigens der aktuelle flächendeckende Ausbau der Überwachung, der jetzt legalisierte Bundeswehreinsatz im Inneren und einige weitere aktuelle Maßnahmen...

StattZeitung: Wir bedanken uns für das Gespräch, die StattZeitung wünscht Euch viel Erfolg im weiteren Verlauf der Auseinandersetzung und wird darüber berichten!

(1) »http://www.stattweb.de/baseportal/NewsDetail&db=News&Id=3783

Quelle: Eigener Bericht
AutorIn: StattZeitung:
»http://www.stattweb.de/baseportal/NewsDetail&db=News&Id=3908

Flugblatt der Roten Hilfe Stuttgart zum Prozess gegen 7 Antifas in Böblingen

Solidarität mit den angeklagten Antifas!

Am frühen Morgen des 17. Februar 2007 werden 7 Antifaschisten nach einer filmreifen Verfolgungsjagd von der Böblinger Polizei in Gewahrsam genommen. Ihnen wird ein Angriff auf Teilnehmer einer NPD-Veranstaltung zur Last gelegt. Anschließend wird nahezu das gesamte Repressionsrepertoire abgespult: Die Aktivisten werden verhört, erkennungsdienstlich behandelt, zu DNA-Proben genötigt, Führerscheine eingezogen, Autos beschlagnahmt usw.
Nun droht ihnen vor dem Böblinger Amtsgericht eine Verurteilung wegen Körperverletzung. Was war geschehen?

Nachdem die NPD Stuttgart für den 16. Februar 2007 ein "Faschingskonzert" mit dem rechtsextremen Liedermacher Frank Rennicke in Stuttgart angekündigt hatte, mobilisierte ein regionales Antifa-Bündnis zur Verhinderung der Veranstaltung. Unter dem Deckmantel einer harmlosen Faschingsparty versuchte die NPD einmal mehr ihre menschenverachtende Gesinnung zu verbreiten. Mit der Aktion wollte sie offenbar ältere "Kameraden" und jugendliche Neonazis an einen Tisch bringen.

Frank Rennicke ist ein Berufsnazi, der von der Verbreitung seines rechten Gedankengutes lebt. Seine Texte strotzen geradezu vor typisch rechtsextremen Klischees und Propaganda: Die Palette reicht von der Verherrlichung und Verharmlosung des Nationalsozialismus inklusive Glorifizierung der Wehrmacht über antiamerikanische Thesen bis hin zu offenem Rassismus. Er ist bereits seit Jahrzehnten in einschlägigen Organisationen wie der Wiking Jugend oder der NPD aktiv und tat sich insbesondere als Mitinitiator der sogenannten Schulhof-CDs hervor. Mehrere von Rennicke veröffentlichte Tonträger wurden aufgrund des "jugendgefährdenden Inhalts" verboten und der 43-jährige bereits mehrfach zu Freiheitsstrafen verurteilt.

Die Veranstaltung der NPD fand schließlich in der Stadiongaststätte des VfL Sindelfingen statt, die von der Stadt Sindelfingen verpachtet wird. Als AntifaschistInnen vor Ort ankamen und versuchten zum Ort des Geschehens zu gelangen, wurden sie von einem massiven Polizeiaufgebot schikaniert und daran gehindert, ihre demokratischen Rechte wahrzunehmen.

Es schien, als ob die Behörden für ein ungetrübtes braunes Faschingstreiben und damit für direkte Unterstützung um den Aufbau der NPD im Raum Sindelfingen/Böblingen sorgen wollten. Nicht nur dass sie über das als Faschingsparty getarnte Nazikonzert im Vorfeld bestens informiert waren und dieses als „private Feier“ verharmlosten. Auch im Nachhinein sollte das rechte Treiben und der Protest dagegen verschwiegen werden.
In einem Artikel in der Stuttgarter Zeitung vom 19.2.2007 hieß es dazu:
„Die Polizei und die Stuttgarter Staatsanwaltschaft wollten die Vorkommnisse gestern weder bestätigen noch dementieren. Nach den Informationen der StZ hatte der verantwortliche Staatsanwalt bereits am Freitagabend angeordnet, dass die Polizisten in Böblingen den Einsatz vom Wochenende nicht im Polizeibericht erwähnen sollten.“ Die NPD bedankte sich denn auch artig auf ihrer regionalen Homepage bei der Polizei für das „Reinigen der Stadt von Zecken und Pöbel“.

Wir halten es für einen politischen Skandal, dass die NPD zum wiederholten Mal eine Veranstaltung in der Region quasi mit städtischer Förderung ungestört durchführen konnte! Auf die Anklagebank gehören die Verantwortlichen der Stadt Sindelfingen, des VfL Sindelfingen und der örtlichen Polizeibehörden. Schließlich hat ihr Schulterschluß und ihr gemeinsames Konzept des Vertuschens und Verschweigens erst dafür gesorgt, dass ein unbelehrbarer rassistischer Hetzer hier auftreten konnte! Doch dieses Verfahren kann und darf nicht isoliert betrachtet werden. Denn es ist nur ein Beispiel von vielen dafür, wie dreist und nahezu unwidersprochen die Verfolgungsbehörden inzwischen agieren können:

Dies fängt damit an, daß laut dem neuen Polizeigesetz nun Opfer der Bullen ihre eigene Ingewahrsamnahme bezahlen müssen (Strafbefehle über 90 Euro sind derzeit an der Tagesordnung) und Demoanmelder grotesk hohe Bußgelder bezahlen sollen (4800 Euro für rennende DemonstrantInnen und weil Transparente zu groß waren).

Aber auch für die Umdeutung antifaschistischer oder subkultureller Symbole sind sich hiesige StaatsanwältInnen nicht zu blöd, wie wir inzwischen wissen. Jüngstes Beispiel: Ein junger Punk wird vier Wochen lang in den Knast gesteckt, weil auf seiner Mütze ein angebliches Nazisymbol gesichtet wurde (es handelte sich um das Logo der Punk-Band Schleimkeim)!

Ganz zu schweigen von den dicksten Repressionskeulen, die jetzt immer öfter aus dem Schrank geholt werden: die §§ 129 a und b.
Im vergangenen Jahr waren es G8-GegnerInnen, aktuell laufen Verfahren gegen angebliche Mitglieder der militanten gruppe (mg) und gegen türkische Linke, die in Stuttgart-Stammheim vor Gericht stehen und nun teilweise bereits seit über 18 Monaten in Isolationshaft sitzen.

Was könnt ihr tun um die Angeklagten zu unterstützen?
Kommt zum Prozeß, informiert andere, spendet für die Prozesskostenhilfe, macht Soliparties, tretet in die Rote Hilfe ein…

Prozesstermine: Montag 8. September ab 8.30 Uhr und Montag 22. September ab 8.30 Uhr

Zeigen wir den Angeklagten, daß sie nicht allein sind!
Machen wir den Repressionsbehörden klar, dass sie mit ihren Schweinereien nicht durchkommen!
Wir fordern: Einstellung aller Verfahren!
Antifaschismus ist notwendig, nicht kriminell!

Solikonto: Bunte Hilfe, Postbank Stuttgart, BLZ 60010070,
Kto-Nr. 37242702, Stichwort: Sifi Antifa

Kontakt:
Rote Hilfe Ortsgruppe Stuttgart, c/o Infoladen, Burgstallstraße 54, 70199 Stuttgart
buntehilfe@gmx.net, www.bunte-hilfe.de.am

Presseerklärung der Antifaschistischen Aktion (Aufbau) Stuttgart zum Prozess gegen sieben Antifas

Antifaschismus ist legitim, auf allen Ebenen mit allen Mitteln!

Am 8. September beginnt vor dem Amtsgericht Böblingen ein Prozess gegen sieben Antifaschisten. Ihnen wird vorgeworfen am 16. Februar 2007 mehrere Nazis angegriffen zu haben, die ein Konzert mit dem nationalsozialistischen Liedermacher Frank Rennicke in Sindelfingen besucht haben. Einigen der Angeklagten drohen nun mehrjährige Gefängnis- und Bewährungsstrafen.

Die Stadt Sindelfingen und die zuständige Polizeibehörde wussten bereits im Vorfeld über die faschistische Veranstaltung Bescheid und unterstützten dieses soweit es ihnen möglich war:
So fand das „Faschingskonzert“, das von dem NPD Regionalverband Sindelfingen-Böblingen-Stuttgart organisiert wurde, in der Sindelfinger Stadiongaststätte, die von der Stadt verpachtet wird, statt; Ein massives Polizeiaufgebot schützte die Veranstaltung, so dass das Konzert mit ca. 200 Teilnehmern ungestört stattfinden konnte und antifaschistische Gegenproteste wurden von der Polizei frühstmöglich gewaltsam verhindert, wie unter anderem die StZ kurz danach berichtete.

Die Pressesprecherin der Antifaschistischen Aktion (Aufbau) Stuttgart, Hanna Stein, erklärte hierzu: "Auf die Anklagebank gehören die Verantwortlichen bei Stadt, Justiz und Polizei, die den Nazis eine Veranstaltung in städtischen Räumen erst ermöglichten. Derartige Unterstützung von Faschisten seitens der Behörden stellt dabei eine neue Qualität dar.“

Am späten Abend wurden dann die sieben Antifaschisten festgenommen, gegen die sich der Prozess nun richtet. Dieser Prozess reiht sich ein in eine Vielzahl von Repressionsschlägen gegen antifaschistische und linke Strukturen, mit denen versucht wird den legitimen Widerstand gegen die menschenverachtende Ideologie der Faschisten zu kriminalisieren.

Hanna Stein hierzu: "Antifaschismus muss auf einer breiten Basis stehen, um erfolgreich zu sein. Neben Aufklärungsarbeit, das Organisieren von Demos, inhaltlichen Veranstaltungen und Aktionen gegen Naziaufmärsche sind direkte Auseinandersetzungen mit Nazis auch legitim und notwendig.“

Weiter sagte sie: "Zur Zeit professionalisieren Nazis ihre Arbeit zunehmend: Massive Propaganda, regelmäßige Stammtische und vermehrt stattfindende Veranstaltungen sind nur wenige Beispiele für diese gefährliche Entwicklung. Und gerade in der Region um Sindelfingen nehmen die Aktivitäten der Nazis stark zu. Währenddessen stehen Antifaschisten vor Gericht, weil sie gegen diese Hetze vorgegangen sein sollen"

Presse-Info zum Prozeß [vorbei]

Am kommenden Montag den 8. September beginnt vor dem Amtsgericht Böblingen ein Prozeß gegen sieben Antifaschisten. Ihnen wird ein Angriff auf Teilnehmer einer NPD-Veranstaltung im Februar 2007 zur Last gelegt. Die Rote Hilfe Stuttgart ruft dazu auf, die Verhandlung kritisch zu beobachten und über die politischen Hintergründe zu informieren.
Eine Solidaritätskundgebung findet am Montag um 12.30 Uhr vor dem Gerichtsgebäude statt.

Nachdem die NPD für den 16. Februar 2007 ein "Faschingskonzert" mit dem rechtsextremen Liedermacher Frank Rennicke in Stuttgart angekündigt hatte, mobilisierte ein antifaschistisches Bündnis zum Protest gegen die Veranstaltung. Unter dem Deckmantel einer harmlosen Faschingsparty versuchte die NPD einmal mehr ihre menschenverachtende Gesinnung zu verbreiten. Mit der Aktion wollte sie offenbar ältere "Kameraden" und jugendliche Neonazis an einen Tisch bringen.

Die Veranstaltung der NPD fand in der Stadiongaststätte des VfL Sindelfingen statt, die von der Stadt Sindelfingen verpachtet wird. Als AntifaschistInnen vor Ort ankamen wurden sie von einem massiven Polizeiaufgebot schikaniert und daran gehindert, ihre demokratischen Rechte wahrzunehmen.

Es schien, als ob die Behörden für ein ungetrübtes braunes Faschingstreiben und damit für direkte Unterstützung um den Aufbau der NPD im Raum Sindelfingen/Böblingen sorgen wollten. Nicht nur dass sie über das als Faschingsparty getarnte Nazikonzert im Vorfeld bestens informiert waren und dieses als „private Feier“ verharmlosten - auch im Nachhinein sollte das rechte Treiben und der Protest dagegen verschwiegen werden.

In einem Artikel in der Stuttgarter Zeitung vom 19.2.2007 hieß es dazu:
„Die Polizei und die Stuttgarter Staatsanwaltschaft wollten die Vorkommnisse gestern weder bestätigen noch dementieren. Nach den Informationen der StZ hatte der verantwortliche Staatsanwalt bereits am Freitagabend angeordnet, dass die Polizisten in Böblingen den Einsatz vom Wochenende nicht im Polizeibericht erwähnen sollten.“ Die NPD bedankte sich denn auch artig auf ihrer regionalen Homepage bei der Polizei für das „Reinigen der Stadt von Zecken und Pöbel“.

Frank Bach, Sprecher der Roten Hilfe Stuttgart, dazu: „Wir halten es für einen politischen Skandal, dass die NPD zum wiederholten Mal eine Veranstaltung in der Region quasi mit städtischer Förderung ungestört durchführen konnte!“

Die Verantwortlichen der Stadt Sindelfingen, des VfL Sindelfingen und der örtlichen Polizeibehörden rechtfertigten hinterher ihre Taktik des Wegsehens und Vertuschens. Zur Krönung der Provinzposse stehen nun auch noch ausgerechnet einige der Menschen vor Gericht, die versucht hatten, gegen die Veranstaltung der rassistischen Hetzer zu protestieren.

Im kommenden Jahr will die NPD in den Böblinger Kreisrat einziehen und verteilt deshalb seit Monaten eine Hetzschrift in vieltausendfacher Auflage an Böblinger Haushalte. Ein Indiz mehr dafür, dass Widerstand gegen die erstarkende rechtsextreme Szene gerade auch hier in der Region dringend nötig ist! Ein erster Schritt in diese Richtung wurde am 19. Juli getan. Damals demonstrierte ein breites Bündnis mit mehreren Hundert Teilnehmerinnen und Teilnehmern gegen die rechten Umtriebe in Sindelfingen.

Wir fordern die Einstellung aller Verfahren!
Antifaschismus ist notwendig und nicht kriminell!

Prozesstermine: 8. und 22. September jeweils ab 8.30 Uhr am Amtsgericht Böblingen
Kundgebung: 8. September um 12.30 Uhr vor dem Amtsgericht Böblingen

Kontakt und weitere Infos:
Rote Hilfe Ortsgruppe Stuttgart, c/o Infoladen, Burgstallstraße 54, 70199 Stuttgart
buntehilfe@gmx.net, www.bunte-hilfe.de.am