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Mittwoch, 16. September 2009

Antifa-Prozess verschoben!

Der Prozess gegen 7 Antifas vor dem Landesgericht Stuttgart, denen vorgeworfen wird nach einer NPD-Faschingsveranstaltung 2007 Nazis angegriffen zu haben, wurde auf unbestimmte Zeit verschoben.
Die Verhandlung, die bereits in zweiter Instanz verhandelt wird, sollte bereits nächsten Montag um 9 Uhr beginnen. Doch gestern wurde mitgeteilt, dass der Prozess auf unbestimmte Zeit verschoben wurde.

Wann der Prozess nun stattfindet ist unklar.

Donnerstag, 3. September 2009

Böblinger Bote 23.09.08

Tumulte im Amtsgericht nach Urteil im "Antifa"- Prozess
Sieben Angeklagte der Körperverletzung schuldig gesprochen - "Keine Beweise, aber Indizien"


Böblingen - Nach einem langen zweiten Verhandlungstag erging gestern Abend das Urteil im Prozess gegen sieben Stuttgarter, die im Februar 2007 in Sindelfingen fünf NPD- Anhänger verprügelt, haben sollen. Direkt nach der Verkündigung kam es im Saal des Amtsgerichts zu heftigen Tumulten.

Von Robert Krülle

"Das ist ein Skandal!", schrien einige Zuschauer und legten sich mit den Polizeibeamten an, die für Ordnung sorgen sollten. Es kam zu Rangeleien und Beschimpfungen. Sogar einer der frisch Verurteilten sprang auf und brüllte Richter Kirbach an: "Sie können doch nicht einfach wahllos Leute verurteilen." Und auch die sieben Verteidiger machten sofort deutlich, was sie von dem Urteil hielten. Richter Kirbach drohte mehrfach mit Ordnungsgeldern und der Saalräumung, bis schließlich doch noch Ruhe einkehrte.
"Es gibt keine Beweise", gab Kirbach in seiner Begründung zu, "aber Indizien." In der Gesamtschau gebe es für ihn keinen Zweifel daran, dass die sieben Angeklagten an jener Schlägerei beteiligt waren und sprach sie der gefährlichen Körperverletzung schuldig. Für drei der Angeklagten die aktuell noch Bewährungsstrafen laufen haben, verhängte Richter Kirbach 16- monatige Gefängnisstrafen und für die weiteren vier neun- und zehnmonatige Bewährungsstrafen mit Arbeits- und Geldauflagen, womit er nur leicht unter den Forderungen der Staatsanwältin blieb.
Rückblick: Im Februar 2007 hatte eine Faschingsveranstaltung der rechtsradikalen Partei NPD in der Sindelfinger Stadiongaststätte zahlreiche Demonstrationen und Aktionen der linkspolitischen Szene provoziert. In diesem Zusammenhang sollen die jetzt Verurteilten fünf NPD- Anhänger gegen 2 Uhr nachts aufgelauert und sie verprügelt haben. Anschließend flüchteten die mit waghalsigen Fahrmanövern vor der Polizei und wurden nach einer Hollywood- reifen Verfolgungsjagd gestellt.
Doch was sich beim Prozessbeginn vor zwei Wochen angedeutet hatte, dass die sieben Angeklagten definitiv beteiligt waren, blieben letztlich aus. Weder die fünf Opfer noch die zwei Zivilpolizisten, die die Schlägerei seinerzeit unterbrochen hatten, hatten einen der vermummten Prügler erkannt, genauso blieb deren Zahl unklar. Zudem wurden zwei sogenannte Sturmhauben, die der Vermummung dienen können, in der Nähe des Tatort gefunden, die laut einer DNA- Analyse definitiv nicht den Angeklagten gehörten. Außerdem hatten jene zwei Zivilpolizisten die flüchtenden Prügler zwar verfolgt, aber auch kurzfristig aus den Augen verloren - und dann die Verfolgung jener Autos aufgenommen, in denen die sieben gestern Verurteilten saßen.
Auf all diese Ungereimtheiten bauten die sieben Verteidiger ihre Plädoyers auf und forderten geschlossen Freispruch. Die Beweise würden nicht ausreichen, um die Angeklagten zu verurteilen, das Gesamtbild sei alles andere als lückenlos. Dass ihre Mandanten zum größten Teil keine Waisenknaben sind, konnten die Verteidiger dabei nicht bestreiten. Schließlich waren die meisten bis gestern bereits mehrfach vorbestraft, und außerdem hatte man in ihren Autos Schlagstöcke und Sturmhauben gefunden. "Doch diese Utensilien beweisen nicht die Tat", betonte einer der Verteidiger. Und selbst wenn jemand aus der Gruppe an der Schlägerei beteiligt gewesen sein sollte, seien andere womöglich unbeteiligt gewesen. "Und da nicht festzustellen ist, wer was gemacht hat, müssen Freisprüche erfolgen", hieß es von allen Seiten.
Gleichzeitig stellen die Verteidiger auch noch einmal den politischen Zusammenhang her, der den gesamten Prozess begleitet hatte. Der Widerstand gegen Rechtspopulismus sei nachvollziehbar, und dass sich die Angeklagten zweifelsfrei in der Nähe der NPD- Veranstaltung aufgehalten haben, dürfe nicht zu ihrer Verurteilung führen. "Sie können die Angeklagten deshalb nicht in Sippenhaft nehmen", betonte Verteidiger Rothbauer.
Richter Kirbach blieb reichlich unbeeindruckt. "Die Angeklagten hatten von Anfang an vor, den NPDlern eine Lektion zu erteilen", sagte er, "für mich gibt es da keine Zweifel."

Kommentar von Robert Krülle

Unverständlich

In dubio pro reo- jeder Laie kennt diesen Spruch aus der Gerichtswelt. Er bedeutet, dass niemand verurteilt werden darf, an dessen Schuld Zweifel bestehen. Bei dem "Antifa"- Prozess, der gestern vor dem Amtsgericht zu Ende ging, gab es diese Zweifel. Dass alle sieben Angeklagten beteiligt gewesen waren, ließ sich letztlich nicht beweisen. Das hat selbst der Richter zugegeben. Das die meisten der Angeklagten mehrfach vorbestraft sind und dass in ihren Autos Schlagstöcke und Vermummungsmaterial gefunden worden waren, darf in diesem Moment nicht zu einer Verurteilung führen. Körperverletzung ist ein schwerwiegendes Delikt und sollte hart bestraft werden - keine Frage. Aber wenn Zweifel an der Schuld bestehen, muss es heißen: "In dubio pro reo". Gestern allerdings reichten dem Richter Indizien zu einer Verurteilung. Das ist unverständlich und nicht nachvollziehbar.

Presseerklärung der VVN BdA Ba-Wü

Am 22. September wurden vom Amtsgericht in Böblingen sieben Angeklagten der schweren Körperverletzung und des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte schuldig gesprochen. Drei Angeklagte werden zu Haftstrafen von einem Jahr und neun Monaten bis zu zwei Jahren und vier Monaten verurteilt. Vier Angeklagte erhalten Bewährungsstrafen von neun bis zehn Monaten. Einem der Angeklagte droht wegen seines Migrationshintergrundes damit auch die Abschiebung.

Allen sieben wurde vorgeworfen im Anschluss an eine NPD-Veranstaltung im Februar 2007 an einer Schlägerei beteiligt gewesen zu sein, bei der zwei NPD-Anhänger jeweils eine Platzwunde und Prellungen davontrugen.

Wo solch drakonische Strafen verhängt werden, sollte man annehmen, dass auch Beweise vorliegen. Nicht in Böblingen: „Auch wenn es keine direkten Beweise gibt, ich bin überzeugt, dass alle Angeklagten an der Prügelei beteiligt waren“, mit diesem Satz wird der Richter in der Presse zitiert und dokumentiert damit einen Tiefstand der Böblinger Justiz.

Besonders brisant wird die Sache auch beim Strafmaß: Ursächlich dafür, dass die drei erstgenannten Strafen nicht zur Bewährung ausgesetzt wurden, waren Vorstrafen der Angeklagten, die sie sich, ebenfalls durch ihre Nazigegnerschaft eingehandelt hatten. Einer von ihnen war z.B. dreimal wegen des Tragens von „Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“ verurteilt worden, d.h. wegen eines zerschlagenen oder durchgestrichenen Hakenkreuzes. Zwei Jahre lang war die Verfolgung von Nazigegnern wegen solcher Abzeichen ein Hobby der Stuttgarter Staatsanwaltschaft. Allerdings fand dieses Hobby ein jähes Ende als der Bundesgerichtshof am 15. März 2007 in Mannheim feststellte, dass das Tragen solcher Abzeichen eine unübersehbare Gegnerschaft zu faschistischem Gedankengut ausdrückt und keinesfalls strafbar ist.

Die zuvor ergangenen Urteile im Sinne des übereifrigen Stuttgarter Staatsanwaltes Häußler aber wurden offensichtlich nicht aufgehoben. Jetzt müssen junge Menschen, wegen des Verfolgungswahns eines Staatsanwaltes, der eindeutig als rechtswidrig festgestellt wurde, ins Gefängnis.

Derselbe Staatsanwalt, der die Verfolgung wegen durchgestrichener Hakenkreuze mit Eifer betrieb und dessen Wirken jetzt dramatische Folgen für die Betroffenen zeitigt, ist dafür zuständig, SS-Mörder vor Gericht zu bringen. Seit nunmehr 6 Jahren ermittelt er erfolglos gegen Angehörige der Waffen-SS, die im italienischen Sant’ Anna di Stazzema 1944 560 Frauen, Kinder und Greise ermordeten. In Italien wurden sie dafür rechtskräftig verurteilt. Diese zehn Mörder blieben dennoch bis heute straffrei, weil der Stuttgarter Staatsanwalt keine Beweise finden kann.

Die sieben Nazigegner in Böblingen aber wurden verurteilt, obwohl man keine Beweise finden kann.

Es handelt sich also offensichtlich um einen Justizirrtum mit System.

Im Jahre 1922 veröffentlichte der Heidelberger Statistiker Professor Emil Julius Gumbel eine Übersicht über die Urteile der Weimarer Justiz, die bewies, dass Richter und Staatsanwälte damals auf dem rechten Auge blind waren. Er wurde dafür später von den Nazis verfolgt und in die Emigration getrieben.

Um angesichts des Böblinger Prozesses heute zum selben Ergebnis zu gelangen, braucht es keine Statistik.

Das Böblinger Urteil ist Beweis für eine politisch einseitige Rechtssprechung: Ein Justizskandal!

Es bleibt sehr zu hoffen, dass es im Zuge der von den Angeklagten eingelegten Berufung korrigiert wird.

Quelle: VVN/BdA Baden-Württemberg

Kommentar von Günter Scheinpflug:

Polizei hält Informationen zurück - Verfehlt

Die Polizeidirektion Böblingen tut sich mitunter schwer, die Presse aktuell und angemessen über die Ereignisse, Straftaten und Unfälle zu unterrichten. Seit dem Wochenende und dem Konzert der Rechtsextremen in Sindelfingen stehen wir nun vor einem besonders eklatanten Fall von zurückgehaltenen Informationen. Fragt sich, wem dies nützt, wenn die Polizei auf mehrfache Anfrage hin zunächst nichts bekannt gibt über die Umtriebe der Rechtsextremen. Werder am Freitagabend, als ein Kollege wissen wollte, was am Tag außer ein paar Unfällen noch vorgefallen sei und er als Antwort erhielt: Nichts. Noch am Sonntagabend, als ein weiterer StZ-Kollege nach eigener Recherche den obersten Böblinger Diensthabenden gezielt auf das NPD-Konzert ansprach und nur vage Angaben über einen Polizeieinsatz erhielt.
Nach Auskunft der Stuttgarter Staatsanwaltschaft habe es nie - wie von einem Böblinger Polizeibeamten offenbar erwähnt - eine Anweisung gegeben, dass Treffen der Rechtsextremen im Polizeibericht unberücksichtigt zu lassen. Dies ergebe auch keinen Sinn, vor allem deshalb nicht, weil die Polizei bis auf einen Vorfall Ausschreitungen erfolgreich verhindert habe, sagt die Pressestaatsanwältin. Freilich, es mag bisweilen Gründe geben, während laufender Ermittlungen mit Informationen zu sparen und darauf zu achten, dass kein Täterwissen publik wird. Doch im Fall des Auftritts von Frank Rennicke, der bereits wegen Volksverhetzung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden ist, hat die Öffentlichkeit ein Recht darauf zu erfahren, dass er und die rechtsextreme Szene in der Nachbarschaft aktiv sind, nicht zuletzt wegen der Begleitumstände. Eine andere Informationspolitik ist, mit Verlaub, verfehlt und nicht im Sinne der Demokratie.

Quelle: Zeitungsartikel aus der Stuttgarter Zeitung