Dienstag, 20. April 2010
Prozess endet vorzeitig mit Bewährungsstrafen!
Auf dieses Ergebnis hatte zunächst nichts hingedeutet: Nachdem am ersten Prozesstag, an dem über 90 UnterstützerInnen aus verschiedenen Spektren anwesend waren und eine Kundgebung vor dem Gerichtsgebäude durchführten, nur die Anklage verlesen und Angaben zu den persönlichen Verhältnissen der Angeklagten gemacht worden waren, waren zum zweiten Prozesstag immer noch über 50 solidarische ProzessbegleiterInnen zur Beobachtung des Verfahrens erschienen. Eigentlich sollten heute verschiedenste Polizeizeugen vernommen werden. Da gleich der erste Zeuge nicht erschienen war entstand eine längere Verfahrenspause, die offenbar vom Richter dazu genutzt wurde einen sog. "Deal" vorzuschlagen. Kern dieses Deals war eine deutliche Herabsetzung des Strafmaßes für alle Angeklagten, falls die Verteidigung die Berufung zurückziehen bzw. auf das Strafmaß beschränken würde. Insbeondere versprach das Gericht, nicht, wie im ersten Verfahren geschehen, Haftstrafen gegen drei der Genossen auszusprechen, sondern alle Strafen zur Bewährung auszusetzen. In der ersten Instanz waren 3 Angeklagte zu Haftstrafen von bis zu 2 Jahren und 6 Monaten und 4 Angeklagte zu Bewährungstrafen von 9 bzw. 10 Monaten verurteilt worden. Da die Angeklagten diesen Vorschlag annahmen, erhielten vier der sieben nun 6 monatige und die anderen drei 14 monatige Strafen auf Bewährung.
Die politische Bewertung dieses Urteils bleibt zwiespältig: Einerseits ist es mit Sicherheit auch ein Ergbenis des öffentlichen Drucks der aufgebaut werden konnte; so wurde der Aufruf zur Prozessbegleitung u.a. auch von Gewerkschaftern und mit Annette Groh einem Mitglied des Bundestags unterstützt und konnte durch verschiedene Aktionen eine verhältnismäßig breite Öffentlichkeit geschaffen werden. Im Ergebnis konnte so die mehrjährige Haft dreier Genossen abgewendet werden. Andererseits wurden die sieben wieder, wie in erster Instanz, ohne Beweise verurteilt. Zwar machten mehrere Anwälte in ihren Plädoyers deutlich, dass die Rücknahme der Berufung kein Schuldeingeständnis ist, sondern eher dem Pragmatismus Haftstrafen zu vermeiden entspringt, der Richter aber wollte erwartungsgemäß daraus eine Form des Geständnisses herauszulesen. Außerdem versuchte der Richter auch die politische Deutungshoheit über den Fall zu gewinnen und nutzte seine Urteilsbegründung um neben der Verteidigung des Gewaltmonopols des Staates, den militanten Antifaschismus an sich zu verurteilen: Recht ungeschickt zitierte er in diesem Zusammenhang eine Auseinandersetzung zwischen Kommunisten und dem rechten Stahlhelm aus Zeiten der Weimarer Republik, bei dem auf beiden Seiten Opfer zu beklagen gewesen wären. Dass dieser (und vielen anderen) Auseinandersetzung, nicht nur auf "beiden Seiten Leid" gefolgt war, sondern auch der Faschismus mit Millionen Toten und welche Rolle der bürgerliche Staat dabei gespielt hatte, verschwieg der Herr Richter allerdings geflissentlich.
Ein ausführlicher Bericht folgt in Kürze.
Montag, 19. April 2010
19.04. Erfolgreiche Kundgebung und Prozessbeobachtung zum Auftakt des Antifaprozesses
Ab 8:30 Uhr sammelten sich nach und nach die UnterstützerInnen der Angeklagten aus verschiedensten Spektren der Linken vor dem Stuttgarter Landgericht und machten mit Fahnen und Transparenten auf ihr Anliegen aufmerksam. Skeptisch beobachtet und gefilmt wurden sie dabei von einem großen Aufgebot der Stuttgarter Bereitschaftspolizei, die im gesamten Umkreis des Landerichtes stationiert war.
Nachdem Redebeiträge der VVN/BdA Leonberg und des Solikreis-Stuttgart die skandalösen Umstände des Prozessablaufes vor dem Böblinger Amtsgericht im Jahre 2008, die Dringlichkeit und Legitimität eines starken antifaschistischen Widerstandes, sowie die generelle Notwendigkeit einer offensiven Antirepressionsarbeit herausstellten, bewegten sich die Gruppe mit inzwischen über 90 TeilnehmerInnen in das Gerichtsgebäude.
Im Eingangsbereich des Gebäudes erwarteten sie zunächst einige völlig überforderte Justizbeamte, deren Aufgabe das Einscannen der Personalausweise sämtlicher anwesender PorzessbeobachterInnen war. Der anfängliche Versuch dabei, Menschen mit lediglich türkischen Ausweispapieren den Zutritt zu den Gerichtssälen zu verwehren, weil diese keine gültigen EU-Papiere mit sich führten, wurde in Anbetracht der großen Anzahl an ProzessbeobachterInnen nach kurzer Zeit wieder verworfen.
Nach dieser ersten Prozedur warteten die Sicherheitsbeamte schließlich unterstützt von einigen Bereitschaftspolizisten mit eingehenden Körperkontrollen und einem extra hierfür aufgebauten Metallscanner auf. Neben jeglichen Metallgegenstände mussten Anwesende, die nicht der Presse angehören, hier ebenso sämtliche Schreibutensilien abgeben.
Im Gerichtssaal fanden sich schließlich neben den inzwischen knapp 100 ProzessbeobachterInnen fünf nervöse BereitschaftspolizistInnen ein, die mit Kamera und Schlagstöcken im Anschlag das Geschehen verfolgten. Als nach wenigen Warteminuten ein seit anfang Dezember 2009 in Untersuchungshaft sitzender und mitangeklagter Antifaschist den Saal betrat, erhoben sich sämtliche anwesende ProzessbesucherInnen unter lautem Beifall und empfingen ihn mit der Parole "Freiheit für alle politischen Gefangenen!".
40 Minuten nach dem angesetzten Beginn betrat das Gericht den Saal, wobei sich nur ein Bruchteil der Anwesenden die Mühe zum Aufstehen machte.
Den Anfang machte nun der vorsitzende Richter Kolakowski mit der Verlseung des Urteils, welches das Böblinger Amtsgericht im September 2008 fällte. Gegen dieses haben damals alle Angeklagten, ebenso wie die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt. Nachdem die Feststellungen zur Sache in detailreicher Ausführung aus diesem fragwürdigen Urteilsspruch entnommen wurden, wurde den Angeklagten die Möglichkeit gegeben, Angaben zu Person und Sache machen. Während Angaben zur Sache von allen Angeklagten, wie bereits im ersten Prozess auf Amtsebene, verweigert wurden, entschieden sich nun sechs der sieben dafür, Angaben zur Person, also ihrer Geschichte und aktuellen Situation zu machen.
Nach der kurzen Aufnahme der jeweiligen Lebenssituation und wenigen Zwischenfragen von Seiten der Staatsanwältin Weiss endete der erste Prozesstag bereits. Zum Schluss ging der Richter noch kurz auf die anwesenden ProzessbesucherInnen ein und kündigte an, dass die Körperkontrollen bei den folgenden Prozessterminen nicht mehr vonnöten sein sollten. Eine Ausnahme machte er allerdings. Am 27. April, dem vierten Prozesstag sind sämtliche "Geschädigte" - also die NPD-Faschisten - geladen. Der Richter stellte treffend fest, dass für diesen Tag von AntifaschistInnen erneut zu größerer Teilnahme an der Prozessbeobachtung aufgerufen wurde. Um für die Sicherheit der in den Worten des Richters bereits "vertrümmten" NPDler an jenem Prozesstag zu sorgen, soll es also am 27. April erneut eingehendere Kontrollen geben.
Wir freuen uns über die rege Teilnahme am Prozessauftakt und hoffen auf die Unterstützung der Angeklagten und der Soliarbeit durch kontinuierliche antifaschistische Präsenz an den kommenden Prozesstagen.
Nächste Prozesstermine: Di. 20.04., Mo. 26.04., Di. 27.04., Mo. 10.05., Di. 11.05.
In den letzten Tagen kam es in Stuttgart zu zwei weiteren Aktionen, mit denen auf den anstehenden Prozessbeginn gegen die sieben Antifaschisten aufmerksam gemacht werden sollte. Hier die Berichte, die wir dazu gefunden haben:
Farbangriff auf die Stuttgarter Staatsanwaltschaft: http://linksunten.indymedia.org/de/node/19018
Spontandemo in der Stuttgarter Innenstadt: http://linksunten.indymedia.org/de/node/19174
Bilder vom heutigen Prozesstag:
Pressemitteilung des Solikreises für den Berufungsprozess
Ab dem 19. April wird vor dem Landgericht Stuttgart ein Berufungsprozess gegen sieben Antifaschisten verhandelt. Sämtlichen Angeklagten wird sowohl schwere Körperverletzung, als auch Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte zu Lasten gelegt. Der erste Prozess fand im September 2008 vor dem Böblinger Amtsgericht statt und endete für drei der Antifaschisten mit mehrjährigen Haftstrafen. Die restlichen vier wurden mit hohen Bewährungsstrafen belegt. Zahlreiche Linke und Antifaschisten begleiteten den Prozess auf Amtsebene mit vielschichtigen Protesten und kündigen auch für die anstehenden sechs Verhandlungstage vor dem Landgericht Protestaktionen an.
Hintergrund der Prozesse ist eine handgreifliche Auseinandersetzung, die sich nach einem Konzert der faschistischen NPD im Februar 2007 in Sindelfingen ereignete. Hierbei zogen sich mehrere NPD-Mitglieder leichte Verletzungen zu.
Den sieben beschuldigten Antifaschisten konnte eine Beteiligung an der Tat nicht nachgewiesen werden. Ohne eindeutige Beweise und damit lediglich auf der Grundlage von Indizien und Vermutungen setzten der vorsitzende Richter und die Stuttgarter Staatsanwaltschaft unverhältnismäßig harte Strafmaße durch. Widersprüchliche Zeugenaussagen, sowie Einwände der Verteidigung fanden dabei keine Beachtung.
Aufgrund des juristisch fragwürdigen Ablaufes der zwei Verhandlungstage vor dem Böblinger Amtsgericht, entschied sich die Verteidigung geschlossen für eine Berufungsverhandlung vor dem Stuttgarter Landgericht.
Antifaschistische Gruppen und Initiativen bereiten sich nun auf die Begleitung der sechs anstehenden Verhandlungstage vor. Felix Wendlinger, der sich im Rahmen des "Solikreis-Stuttgart" an den Vorbereitungen der Proteste beteiligt, äußert dazu: "Wir sehen im bisherigen Prozessverlauf vor allem eines: Den unbedingten Willen von Staatsanwaltschaft und Gericht, antifaschistisches Engagement zu kriminalisieren. Wenn antifaschistische Positionen zu politischem Fanatismus erklärt werden und dieser als Beweisersatz für besonders harte Urteile herhalten darf, so gilt es spätestens hier zu intervenieren. Uns geht es darum, herauszustellen, dass antifaschistisches Engagement legitim und bitter notwendig ist!"
Am ersten Prozesstag, Montag den 19. April wird ab 8:30 Uhr eine antifaschistische Kundgebung vor dem Stuttgarter Landgericht stattfinden. Anschließend soll der erste Prozesstag gemeinsam begleitet werden. Für den dritten Prozesstag, Montag den 27. April, ruft unter anderem der "Solikreis Stuttgart" zu einer überregionalen Prozessbeobachtung ab 9:00 Uhr am Landgericht auf.
StN: NPD-Anhänger in Sindelfingen verprügelt
Stuttgart/Sindelfingen - Mit Tumulten war der Prozess vor dem Böblinger Amtsgericht zu Ende gegangen. Der Richter ließ damals den Saal räumen. Jetzt geht das Verfahren gegen sieben mutmaßliche Schläger in die zweite Runde. Alle Angeklagten und die Staatsanwältin haben Berufung eingelegt.
Am Montag beginnt vor der 40. Strafkammer des Landgerichts Stuttgart der zweite Prozess gegen die 25 bis 35 Jahre alten Angeklagten. Sie stammen aus Stuttgart und Vaihingen/Enz (Kreis Ludwigsburg), fünf der sieben sind türkischstämmig. Den Männern aus der linken Szene wird gefährliche Körperverletzung vorgeworfen: Die Opfer: fünf NPD-Anhänger. Der Tatort: ein Parkplatz beim Sindelfinger Floschenstadion.
Das Geschehen in stockdunkler Nacht ist schon eine Weile her. Es war am frühen Morgen des 17. Februar 2007, als - je nach Zeugenaussagen - vier bis zehn Gestalten über die fünf NPD-Anhänger herfielen. Die Angegriffenen hatten zuvor in der Gaststätte des Stadions dem rechten Liedgut von Frank Rennicke gelauscht. Die NPD-Veranstaltung war als Faschingsparty deklariert und kurzfristig von Stuttgart nach Sindelfingen verlegt worden. Das freilich war weder den linksextremen Gegnern noch der Polizei entgangen. Beide waren vor Ort.
Der Überfall der vermummten und zumindest teilweise mit Schlagstöcken bewaffneten Täter soll nur etwa eine Minute gedauert haben. Dann waren zwei Polizisten da, die Angreifer flüchteten. Zwei Fans des rechten Liedermachers Rennicke, der selbst schon wiederholt vor Gericht stand, blieben am Boden liegend zurück. Sie erlitten Schürf- und Platzwunden sowie Prellungen. Zwei andere wurden leichter verletzt, dem fünften war die Flucht gelungen.
Die sieben Linken waren wenig später in zwei Autos nach einer wilden Verfolgungsfahrt gestellt worden. In den Fahrzeugen lagen Stöcke und Sturmhauben. Als die Männer im September 2008 in Böblingen vor Gericht standen, schwiegen sie beharrlich. Erst nach der Entscheidung wurden sie gesprächig. Einer herrschte den Richter an: "Sie können hier doch nicht wahllos Leute verurteilen." Im Zuschauerraum brachen Tumulte aus. Eine Frau schrie "Skandal".
Als der Richter Polizisten aufforderte, die Personalien der Frau aufzunehmen, fielen etwa 30 weitere Sympathisanten der Linken in das Skandalgeschrei ein und warfen Personalausweise auf den Boden. Der Richter verhängte Ordnungsgelder und ließ schließlich den Saal räumen.
Die heute 25 bis 35 Jahre alten Männer wurden zu Haftstrafen zwischen neun und 16 Monaten verurteilt. Die Staatsanwältin hatte zehn bis 18 Monate beantragt, die sieben Verteidiger Freispruch.
In Böblingen war zwei Tage lang verhandelt worden, in Stuttgart sind sechs Termine anberaumt. Das Urteil fällt nach diesem Zeitplan am 11. Mai. Der Berufungsprozess wird von Unterstützern der Angeklagten begleitet. Die Rote Hilfe Stuttgart, die nach eigenen Angaben politisch Verfolgte aus dem linken Spektrum unterstützt, will für die "Einstellung des Verfahrens gegen die sieben Antifaschisten" demonstrieren.
Quelle: Stuttgarter Nachrichten online
StZ: NPD-Anhänger verprügelt?
Die Staatsanwaltschaft wirft den 25 bis 35 Jahre alten Männern vor, den fünf Besuchern einer sogenannten Faschingsparty der NPD aufgelauert zu haben. Der Hauptprogrammpunkt des Abends war ein Konzert des rechten Liedermachers Frank Rennike. Nach der Veranstaltung sollen die Antifaschisten maskiert die Gruppe auf einem Parkplatz überfallen haben, so die Anklage. Sie sollen ihre Opfer mit Tritten und Schlagstöcken traktiert haben. Zwei Männer erlitten Platzwunden und Prellungen, die übrigen kamen mit leichten Blessuren davon. Die Polizei, die bei der Schlägerei dazwischengegangen war, fasste die sieben Männer kurz nach dem Übergriff nach einer wilden Autoverfolgungsjagd kurz vor Maichingen und vor Darmsheim. In den Wagen wurden Sturmhauben, Besenstile, ein abgesägtes Billardqueue und ein sogenannter Totschläger gefunden.
Das Amtsgericht Böblingen hatte die sieben Männer bereits im Herbst des Jahres 2008 zu Freiheitsstrafen verteilt. Drei von ihnen sollten je 16 Monate lang ins Gefängnis, weil sie zum Zeitpunkt des Angriffs unter Bewährung gestanden hatten. Die Haftstrafen für die anderen Angeklagten sollten unter Auflagen ausgesetzt werden. Während der zweitägigen Verhandlung hatten die sieben Männer auf der Anklagebank die Vorwürfe von sich gewiesen und sonst beharrlich geschwiegen.
Bei der Urteilsverkündung war es zu einen Eklat gekommen. "Das ist ein Skandal", hatte eine empörte Frau gerufen, weitere Zuhörer und selbst einige Verteidiger schlossen sich an. Es brach ein Tumult aus, die Polizei musste eingreifen. Der Richter verwies einige Zuhörer des Saales. Außerdem ordnete er an, dass die Personalien einer Zuhörerin aufgenommen würden. Daraufhin warfen gut zwei Dutzend weitere Zuhörer ihre Personalausweise vor die Richterbank. Gegen eine Frau, die beim Verlassen des Saals verärgert die Tür hinter sich zuschlug, verhängte der Richter ein Ordnungsgeld in Höhe von 300 Euro.
Sechs Verhandlungstage bis Mitte Mai sind für den Landgerichtsprozess vorgesehen. Unterstützer der Angeklagten aus der linken Szene haben zum Prozessauftakt am Montag zur Teilnahme an einer "antifaschistischen Kundgebung" vor dem Gericht aufgerufen. Die Polizei will vor Ort sein und das Geschehen beobachten.
Quelle: Stuttgarter Zeitung online, 17.04.2010
StZ: NPD-Anhänger verprügelt
Das Amtsgericht hatte im ersten Prozess unter anderem drei Angeklagte zu einem Jahr und vier Monaten Haft ohne Bewährung wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Die Männer gingen dagegen in Berufung. Jetzt muss das Landgericht Stuttgart in zweiter Instanz den Fall klären. Die Angeklagten wollten sich zu Prozessbeginn jedoch nicht zu den Vorwürfen äußern.
Der Verhandlungssaal war mit rund 90 Menschen voll besetzt. Angehörige und Freunde der Angeklagten skandierten Sprüche wie: "Freiheit für alle politische Gefangene." Die Hälfte der Anwesenden weigerte sich aufzustehen, als die Kammer den Saal betrat. Dafür wurden sie gerügt.
Ausgangspunkt des Falls war eine Faschingsfeier der NPD, auf der auch der rechtsextreme Liedermacher Frank Rennicke auftrat. Die sieben Antifaschisten attackierten fünf Männer, nachdem diese die rechtsgerichtete Veranstaltung verlassen hatten. Auf einem Parkplatz sollen die Linken die Rechten mit Fäusten und einem Stock traktiert haben. Ein Opfer konnte fliehen.
Für die Berufungsverhandlung vor dem Landgericht sind insgesamt sechs Verhandlungstage angesetzt. Für den Dienstag kommender Woche (27.4.) sind die Opfer geladen.
Quelle: Stuttgarter Zeitung online, 19.04.2010
Dienstag, 16. März 2010
Prozess geht in die 2. Runde!
Am 19. April beginnt der Berufungsprozess gegen 7 Antifaschisten aus Stuttgart vor dem Stuttgarter Landgericht. Ihnen wird ein Angriff auf 5 NPD-Nazis vorgeworfen, der sich im Rahmen eines Nazikonzertes 2007 in Sindelfingen ereignete. In einem skandalösen Prozess in erster Instanz wurden mehrjährige Haft- und Bewährungsstrafen gegen die Angeklagten verhängt. Ebenso wie zum vorangegangenen Prozess, gilt es nun eine starke antifaschistische Solidaritätsarbeit aufzubauen!
Die Vorgeschichte
Am 16. Februar 2007 organisierte die regionale NPD in Sindelfingen bei Stuttgart konspirativ ein "Faschingskonzert" mit einem Auftritt des bundesweit bekannten Naziliedermachers Frank Rennicke. Der eigentliche Veranstaltungsort - die Stadiongaststätte des VfL Sindelfingen - wurde von Stadtverwaltung und Polizei geheimgehalten. Lediglich durch eine kurzfristig noch erfolgreiche Recherchearbeit konnten AntifaschistInnen an selbigen Abend zum Ort des Geschehens gelangen. Dort wurden sie schließlich von einem Großaufgebot der Polizei empfangen, mit schikanösen Kontrollen überzogen und anschließend mit Polizeibegleitung per S- Bahn zurück nach Stuttgart geschickt.
Am späteren Abend ereignete sich noch ein antifaschistischer Angriff auf 5 NPD-Nazis, bei dem diese sich einige blauen Flecken zuzogen. Wenige Zeit später hatte die Polizei 7 Antifaschisten in ihren Autos aufgegriffen, festgenommen und sie der Tat beschuldigt.
Eine direkt darauf von Polizei und Staatsanwaltschaft verhängte Pressesperre verhinderte jegliche Berichterstattung zu den Vorfällen.
Der erste Prozess
Das Verfahren gegen die beschuldigten Antifas folgte im September 2008. Wie nicht anders zu erwarten, reihten sich die 2 Prozesstage vor dem Böblinger Amtsgericht nahtlos in das bisherige Vorgehen der Repressionsorgane ein. Im Zusammenspiel zwischen Richter und Staatsanwaltschaft kristallisierte sich schnell der politische Charakter des Repressionsschlages heraus.
Das eigentlich schwerwiegende Problem, dass Nazis ein durch die Polizei und die Sindelfinger Stadtverwaltung verheimlichtes und geschütztes Konzert durchführen konnten, während jeglicher Protest dagegen von selbigen eingedämmt und verhindert werden sollte, wurde im Rahmen der Verhandlung komplett ausgeblendet. Gleichzeitig jedoch durfte der angebliche "politische Fanatismus" der Angeklagten als ausschlaggebender Faktor für möglichst hohe Strafmaße herhalten.
Ohne schlüssige Beweisketten, mit widersprüchlichen Zeugenaussagen und lediglich auf der Grundlage von Indizien konstruierten sich Staatsanwaltschaft und Gericht so die Geschehnisse zurecht. Dass entlastendes Material, sowie zahlreiche Anträge der Anwälte dabei keine Beachtung fanden, war unter den gegebenen Bedingungen nicht verwunderlich.
Die Staatsanwaltschaft konnte mit richterlicher Unterstützung erwartungsgemäß harte Urteilssprüche gegen alle Angeklagten durchsetzen. So endete die Provinzposse für 3 der Angeklagten mit Haftstrafen von bis zu 2 Jahren und 4 Monaten, die restlichen 4 erhielten mehrmonatige Haftstrafen, die zu 3 Jahren auf Bewährung ausgesetzt wurden.
Die Anwälte der Angeklagten nahmen dieses eindeutig politische Urteil nicht hin und gingen geschlossen in Berufung. Im nächsten Verfahren soll der Fall nun auf höherer Instanz, vor dem Stuttgarter Landgericht, von Grund auf neu aufgerollt werden.
Jedoch ist nicht lediglich das skandalöse Urteil, sondern der gesamte Prozess inakzeptabel! Um dies zu verdeutlichen und die notwendige Solidarität mit den Angeklagten zum Ausdruck zu bringen, begleiteten zahlreiche AntifaschistInnen die beiden Prozesstage vor dem Böblinger Amtsgericht mit vielschichtigen Protesten vor und im Gerichtssaal. Mit Veröffentlichungen und Kundgebungen stellten sie den politischen Charakter des Prozesses heraus, dessen Funktion offensichtlich in der Kriminalisierung und Einschüchterung aktiver Antifaschisten bestand.
Das Gericht wusste sich nicht weiter zu helfen, als mit Kontrollen, ständigen Drohungen, Ordnungsgeldern und Anzeigen gegen die Solidaritätsbekundungen vorzugehen, um diese zu unterbinden - ein Vorhaben, das sich als sichtlich erfolglos erwies.
Es geht weiter...
Mitte April beginnt nun der Berufungsprozess gegen die sieben angeklagten Antifaschisten vor dem Stuttgarter Landgericht. Dieser ist mit insgesamt sechs Prozesstagen auf einen Zeitraum von einem Monat angesetzt.
Zu dessen Vorgeschichte kann jedoch nicht einzig der Prozess vor dem Böblinger Amtsgericht gezählt werden. 2 der 7 Beschuldigten wurden in den letzten Monaten aufgrund von unhaltbaren und herbeikonstruierten Vorwürfen in unterschiedlichen Fällen für mehrere Wochen und Monate in Untersuchungshaft genommen wurden. Einer der Beiden wird trotz entlastender Zeugenaussagen weiterhin im Trakt für Untersuchungshäftlinge des Gefängnisses Stammheim festgehalten.
In beiden Fällen setzte sich die Stuttgarter Staatsanwaltschaft gegen die offensichtlich entlastenden Faktenlagen und Forderungen der Verteider durch. Dass dieses Vorgehen in erster Linie die Demoralisierung, das Schwächen und Brandmarken der Angeklagten zur Folge haben soll, ist mehr als ersichtlich. Was jetzt zählt, sind viele Stimmen der Solidarität!
Es ist nicht hinzunehmen, dass Einzelne für unseren gemeinsamen und bitter notwendigen antifaschistischen Kampf inhaftiert werden!
Wir werden auch das anstehende Verfahren solidarisch begleiten und entgegen den Forderungen der Staatsanwaltschaft deutlich machen, dass Antifaschismus auf allen Ebenen und mit allen Mitteln legitim bleibt.
Mit Kundgebungen und einer kritischen Prozessbeobachtung werden wir einem stillen Vorbeiziehen dieses repressiven Vorstoßes der Stuttgarter Staatsanwaltschaft eine Absage erteilen.
Unterstützt die Proteste! Schafft Solidarität!
Für einen starken antifaschistischen Widerstand!
Prozesstermine:
19., 20., 26., 27. April, 10., 11. Mai
Der Beginn ist jeweils um 9:00 Uhr am Stuttgarter Landgericht (Urbanstr. 20, 70182 Stuttgart)
Auftaktkundgebung: 19. April, 8:30 am Stuttgarter Landgericht
Überregionale Prozessdelegationen: 27. April, 9:00 Uhr am Stuttgarter Landgericht
UnterstützerInnen:
Solikreis Stuttgart
Rote Hilfe
Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen Stuttgart
Antifaschistische Aktion (Aufbau) Stuttgart
Revolutionäre Aktion Stuttgart
VVN Böblingen
Thomas Trüten (IGM Vertrauenskörperleiter Esslingen)
Annette Groth MdB Die LINKE
Günther Klein (Personalrat Uni, ver.di)