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Freitag, 14. November 2008

2. Prozesstag (22.September 2008)

BB: 7 Antifaschisten zu hohen Strafen verurteilt!

Der Prozesstag begann wie bereits am ersten Tag mit Schikanen. Alle ProzessbesucherInnen wurden durchsucht und mussten ihre Schreibutensilien abgeben. Erst auf Nachfragen der Rechtsanwälte wurden diese wieder herausgegeben. Schon hier kann Richter Kirbacher seinen Unmut über diesen Prozess nicht zurückhalten. "Jetzt ist Ruhe da hinten im Saal" ruft er wütend.

Polizisten machen ihre Aussagen

Der erste von 5 geladenen Polizeibeamten wird in den Saal gebeten. Den Anfang macht der pensionierte Kriminalhauptkommissar Ott dessen Aufgabe es am 16. Februar war rund um das NPD Konzert in Sindelfingen "die Parkplätze ab zu fahren um zu beobachten, wohin die Leute gehen". In der besagten Nacht habe er gemeinsam mit seinem Kollegen Ziegler beobachtet, wie "fünf Leute die faschingsmäßig gekleidet waren" das NPD Fest verließen. Bereits hier fallen Unstimmigkeiten zu den Aussagen weiterer Zeugen auf.

Als die Zivilpolizisten erneut die Straße vor dem Sindelfinger Floschenstadion abfuhren, entdeckten sie dort eine Schlägerei. Während die Angreifer die Flucht ergriffen, verließen die Polizeibeamten ihr Fahrzeug und unterhielten sich mit den Leuten am Boden kurz und sagten ihnen sie sollen warten bis die Polizei kommt. Anschließend seien sie wieder eingestiegen und "mit dem Fahrzeug in in die Fluchtrichtung der Personen gefahren." Nach ungefähr hundert Metern hielten sie an einer Y-förmigen Kreuzung. In einer der kreuzenden Straßen starteten zwei Fahrzeuge, die hinter dem zivilen Fahrzeug vorbeifuhren. Das zivile Fahrzeug folgte den Fahrzeugen ohne sich als Fahrzeug der Polizei zu erkennen zu geben. Nach einer Filmreifen Verfolgungsjagd werden die sieben Angeklagten verhaftet.

Ein Prozesstag nimmt seinen Lauf

Für den weiteren Prozesstag sind noch weitere Polizeibeamte geladen. Von einigen wissen die Verteidiger nicht, dass sie geladen wurden. Besondere neue Erkenntnisse oder Beweise werden nicht festgestellt.
Der Neonazi Thomas P. sorgt für neue Stimmung im Zuschauerraum. Der 26 jährige, in Erfurt wohnhafte Bäcker, beginnt seine Ausführungen mit der Feststellung: "Zunächst mal war´s ´ne Faschingsveranstaltung vom Regionalverband aus". Danach folgen haarsträubende Erzählungen die neue Widersprüche aufwerfen und alte bestärken. Selbst seine Kernaussage: "Ein abgesägter Billiardkö wurde mir ins Gesicht gehauen, danach bin ich zu Boden gegangen" ist auf Nachfrage hin nicht haltbar.

DNA Auswertung schafft keine Beweise

Auch der Sachverständige Molkularbiologe Dr. Schaaf kann mit der Auswertung des DNA-Materials keine Beweise anbringen. Drei Ergebnisse und zwei Mischprofile wurden auf den zehn Aservaten festgestellt. Da sieben der "Aservate" aus den Fahrzeugen der Angeklagten stammen, verwundert das nicht sonderlich. Verwunderlich hingegen ist, dass auf keinem der Aservate Blut festgestellt werden konnte.

Anträge der Verteidigung werden abgeblockt

Bereits am Vormittag stellten die Prozessbeteilligten mangelnde Informationen bezüglich der aufgefundenen Aservate fest. Der zuständige Sachbearbeiter, Kriminalhauptkommissar Ziegler, wird für den Nachmittag erneut geladen und bringt hierfür die polizeiliche Ermittlungsakte mit. In der weiteren Fragestellung zieht Ziegler aus dieser "E-Akte" mehrere Fotos aus der "Erkennungsdienstlichen Behandlung" der Beschuldigten hervor, die im Widerspruch zu der von allen Zeugen getätigten Täterbeschreibung stehen. Der Antrag der Verteidigung diese Akten zugänglich zu machen, da "weiteres entlastendes Material" in diesen Akten auffindbar sein könne, wird im Rahmen der Verhandlung abgelehnt.
Ein weiterer Antrag der Verteidigung auf Zeugenanhörung eines Vernehmungsbeamten wird im gleichen Atemzug abgelehnt. Der Polizist sollte bezeugen, dass der Neonazi Preß in seinen früheren Vernehmungen nie von Schlagstöcken berichtet habe. Da kein anderer Zeuge von einem Einsatz von "Schlagstöcken" berichtete, wäre der Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung damit hinfällig gewesen.

Staatsanwältin sieht klare Beweiskette

Die Staatsanwaltschaft sieht in ihrem Plädoyer "den Tatvorwurf der gefährlichen Körperverletzung als erwiesen an". Dementsprechend hoch fällt ihr Strafmaß aus. Für drei der Angeklagten fordert sie ein Jahr und sechs Monate Haft. Erwiesene Tatsachen wie zum Beispiel, dass keiner der Angeklagten zum Zeitpunkt der Festnahme "dunkle" Kleider trug, wie durchweg alle Zeugen behaupteten, scheinen kein Gewicht zu haben.

Anwälte fordern Freispruch

In Ihren Plädoyers wiesen die Verteidiger mehrfach auf eine fehlende Beweiskette hin. Vor allem die Tatsache, dass keinem der Beschuldigten eine direkte Tatbeteiligung nachgewiesen werden kann ist zentraler Bestandteil der Argumentation. Ebenfalls mehrfach geäußert wird der Verdacht, dass ein "vorgefertigtes Urteil" vorläge. In Richtung der Staatsanwaltschaft werden Vorwürfe laut, dass sie sich, im Sinne ihrer Aufgabe, nur die Aussagen herauspicke, die ihrem Beschuldigungskonzept entsprächen. Das Gericht nimmt die Widersprüche und Unstimmigkeiten die von den Verteidigern aufgezeigt werden nett lächelnd zur Kenntnis.

Bei der Urteilsverkündung bricht Tumult aus

Bereits beim Erheben zur Urteilsverkündung wenden sich etliche Prozessbesucher vom Gericht ab. Drei der Angeklagten sollen eine Freiheitsstafe von einem Jahr und vier Monaten verbüßen. Die weiteren fünf erhalten neun und zehn Monate auf Bewährung Während der Urteilsbegründung kommt es zu etlichen Zwischenrufen. Als der Richter die Personalien einer Frau feststellen will, die gerufen hat, dass das Urteil bereits vorgefertigt war, solidarisieren sich mehrere Prozessteilnehmer und geben ebenfalls ihre Personalien ab. Daraufhin möchte der Richter den Saal räumen lassen. Nachdem die Zuschauer klarstellen, dass sie nicht die Absicht besitzen den Saal zu verlassen, fährt er in seiner Begründung fort. "Es gibt keine Beweismittel, es gibt nur Indizien..." Unterbrochen werden seine Ausführungen von mehreren Personen, die sich mit einem lauten Zuschlagen der Saaltür verabschieden. Daraufhin wird ein Ordnungsgeld von 300 Euro gegen eine Prozessbesucherin verhängt. Vor dem Gerichtssaal bricht nun ebenfalls Tumult aus. Weitere Prozessbesucher möchten den Saal verlassen, werden allerdings von der Polizei daran gehindert. Einer der Angeklagten möchte nun ebenfalls den Gerichtssaal verlassen, der Richter weist ihn daraufhin lautstark zurecht.

Der Versuch eines Fazits

Bereits während der Urteilsverkündung bezeichneten mehrere Prozessbesucher das Urteil als einen Skandal. Obwohl weder die Grundlage der Vollständigkeit der Beweise erfüllt war, mehrere Anträge der Anwälte abgelehnt wurden und es keine direkten Beweise für die Tatbeteiligung der Angeklagten gab verurteilte der Richter drei der Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten, die auf Grund ihrer Vorstrafen nicht zur Bewährung ausgesetzt wurden. Falls das Urteil des Richters Bestand haben sollte, belaufen sich die Haftstrafen auf einem Jahr und 9 Monate bis 2 Jahre und 4 Monate. Auch die anderen Angeklagten wurden zu mehrmonatigen Haftstrafen auf Bewährung verurteilt. Einer der Angeklagten wurde zu 10 Monaten, die anderen drei zu 9 Monaten auf drei Jahre Bewährung verurteilt.

Wir halten dieses Urteil für einen Skandal. Es verdeutlicht den politischen Charakter des Prozesses.


Für uns bleibt Antifaschismus, auf allen Ebenen, mit allen Mitteln, legitim!

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